Review: Lightning Bolt – Sonic Citadel

Die legendäre Noise-Band entdeckt den Pop.

Wer einmal eine Live-Show von Lightning Bolt besuchen durfte, wird sie nie wieder vergessen. Da passiert ein unglaubliches Noise-Inferno. Da sitzt Brian Chippendale, der gerne Wrestling-Masken überstülpt und wie ein Berserker die Drums prügelt, daneben steht kerzengerade der stoische Brian Gibson am Bass.

In der 25-jährigen Geschichte variierten die Auftrittsorte, bemerkenswert war etwa der Gig zur Mittagszeit vor der Chalet-Tür von John Peel am All Tomorrow‘s Parties-Festival, der den benachbarten Steve Albini aus dem Schlaf riss.

Die Platten des Duos aus Rhode Island waren immer herausfordernde Angelegenheiten. Erst mit dem 2015er „Fantasy Empire“ belegten sie ein richtiges Studio, vorher war das oft matschig, monoton, zu verstörend. Man wollte sie nicht zu Hause hören, man wollte sie auf einem Supermarktplatz am Samstagabend erfahren.

Nun liegt mit „Sonic Citadel“ (Thrill Jockey) der siebte Longplayer von Lightning Bolt vor, ein Doppelalbum. Es enthält die aberwitzigsten, aber auch zugänglichsten Kompositionen der Band. Und: Ein Großteil eignet sich für die Sitzung vor dem Plattenspieler.

Die Klammer ist dabei unhörbar. „Blow To The Head“ und „Van Halen 2049“ bilden Anfang und Ende und sind so erbarmungslos und hart, dass es weh tut. Im Falle von „Van Halen 2049“ muss man das Geknüppel neun Minuten lang ertragen.

Dazwischen öffnet sich die Band wie noch nie. Schon „USA Is A Psycho“ nimmt Hall vom Gesang, zeigt sich im Kontext gemütlicher und ist eigentlich straighter Punk. „Air Conditioning“ ist Heavy Psych mit schönen Mosh-Parts.

Noch erstaunlicher ist „Don Henley In The Park“. Lightning Bolt sind verträumt, die Nummer plätschert, verwandelt sich erst gegen Ende in einen reißenden Strom. „Halloween 3“ groovet cool, hat erholsame Phasen, verschließt sich dann aber.

Schönster Songtitel ever? „Hüsker Dön’t“ lässt unter dem Noise einen catchy Pop-Punk-Song erahnen, der zur Mitte richtig fett und mitreißend wird. Und „All Insane“ könnte locker im Radio laufen.

Fazit: Dem Pop zugeneigt, dem Noise verpflichtet. Erste hörbare Lightning Bolt-Platte?

Lightning Bolt - Sonic Citadel

8.6

8.6/10